Denn wir haben aufgrund der politisch stark angeschobenen Energiewende im Stromsektor schon relativ viel erreicht. Bei den Lernkurven und der Kosten-Degression in der Windkraft und Photovoltaik haben wir sehen können, was dezidiertes und konzertiertes Handeln bringen kann: Die Energieträger sind jetzt mehr als nur konkurrenzfähig und bilden das Rückgrat der ganzheitlichen Energiewende.
Was in der Bauwirtschaft und im Gebäudesektor noch so ein bisschen fehlt, ist das Zusammenspiel aller Akteure in Richtung einer deutlichen Beschleunigung der Renovierung. Das hängt natürlich damit zusammen, dass wir hier über sehr komplexe Eigentümerstrukturen und regulatorische Rahmenbedingungen sprechen. Und da sehe ich momentan zwei sehr wichtige Hebel, die das Ganze beschleunigen können:
Zum einen die Anforderungen, die aus dem EU Green Deal erwachsen. Hiermit werden die Eigentümerstrukturen hinter dem Gebäudebestand, die ja meist den großen Asset Ownern münden, zum Nachweis verpflichtet werden, dass ihr Investment nicht Gefahr läuft, zum Stranded Asset zu werden. Und zwar in dem Moment, wo dieses Gebäude nicht kompatibel ist mit den Klimazielen, die wir uns als Gesellschaft gesetzt haben. Und dieser Handlungsdruck führt dazu, dass Konzepte für serielle Sanierungen jetzt wirklich angegangen werden. Ich denke, da hat die Taxonomie schon einen Riesenschritt in die richtige Richtung getan.
Zum anderen der wachsende Anspruch von Konsumenten wie Mietern, die täglich in diesen Gebäuden agieren und sich fragen: In welche Lebensräume begebe ich mich auf der Arbeit und zu Hause? Wie sind die gestaltet und befördern die sozusagen mein Wohlbefinden in Einklang mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung? Diese Literacy wächst. Und da braucht es auch Initiativen, wie sie jetzt auch in der Koalition vorgeschlagen werden, die ganz klar zeigen: Das ist der ganzheitliche Nachhaltigkeits-Einfluss einer bestimmten Technologie oder einer bestimmten Konsumentscheidung.
Wenn ich die vier Hauptsektoren mal in eine Ordnung bringen sollte, würde ich sagen: Strom ist bestimmt am weitesten. Bei dem Verkehrssektor haben wir diesen Tipping Point schon erlebt. Ich glaube, alle großen Automobilkonzerne haben das erkannt. Der Verbrennungsmotor ist am Ende, es wird ihn nicht mehr geben in Zukunft.
Der Gebäudesektor ist jetzt in dieser Transformation mittendrin, hat die Lösungen. Aber, ähnlich wie bei der Landwirtschaft auch, muss noch sehr viel Arbeit getan werden.
Dieses branchenweite konzertierte Handeln ist ja ein Hauptziel, das wir mit dem Format der Stakeholder Councils verfolgen – Akteure zum Austausch zu bringen. Viessmann ist dieses Jahr am Real Estate Stakeholder Council beteiligt. Kannst du uns da ein bisschen über eure Erfahrungen erzählen, wie funktioniert die Zusammenarbeit, wie erlebt ihr das als Teilnehmer?
Ich finde der Stakeholder Council ist genau so ein Collaboration-Format, das jetzt dringend notwendig ist. Davon bräuchten wir eigentlich noch viel mehr, um noch weiter zu beschleunigen.
Wir stehen noch recht am Anfang dieses Jahr, aber in den ersten beiden Sitzungen hat mich fasziniert, zu sehen, wo die Akteure zusammenkommen und dann basierend auf dem XDC (X-Degree Compatibility) Framework sozusagen auf einer Ebene sprechen können – weil das Interesse ist im Prinzip das gleiche.
Von der technischen Gebäudeausrüstung her, wollen wir die effizientesten Lösungen anbieten können, um dann den Investoren und Asset Ownern zu zeigen: So kommt ihr auf einen 1,5°C-Pfad – ohne in die verschiedenen verästelten Details hineinzugehen, sondern das zu aggregieren. Und ich denke, das ist die einzige Art und Weise, wie das funktionieren kann und insofern finde ich das ein extrem wertvolles Format. Denn auch die Sichtweise „worauf wird geachtet bei der Auditierung? Was muss in einem Report stehen? Was sind die Kennzahlen, die für den Asset Owner wichtig sind?“ zu verstehen und an einem realen Beispiel durchzudeklinieren halte ich für unheimlich wertvoll. Ich würde mir wünschen, dass es mehr solcher Formate gäbe und wir nutzen die Lerneffekte aus dem Stakeholder Council auch, um selbst andere Initiativen auf anderen Ebenen voranzutreiben.
Damit schneidest du schon an, wie die Ergebnisse oder die Erkenntnisse aus diesem Austausch in eure Arbeit einfließen. Vielleicht kannst du es noch ein bisschen konkretisieren: Ihr nutzt das XDC Modell. Wie fließen die Erkenntnisse aus so einer Analyse in eurer Unternehmen oder in eure Produkte ein?
Ich habe das XDC Modell bereits in meiner vorherigen Tätigkeit kennengelernt, da war ich für einen Photovoltaik-Hersteller für Großanlagen tätig. Da habe ich es schon als wirkmächtiges Tool für die interne Kommunikation und Steuerung erlebt, indem man in ein Key Performance Indikator Dashboard eine Zahl integriert, die auch mit dem Ziel der 1,5°C-Kompatibilität verbunden werden kann.
Das haben wir für Viessmann jetzt in einer ersten Phase auch durchdekliniert. Wir uns angeschaut, auf welchem Klimapfad unsere Werke sind – also Scope 1 und 2 aus dem Greenhouse Gas Protocol. Und dann geprüft: Wie nah kommen wir an das 1,5°C-Ziel mit dem Programm, das wir verabschiedet haben, 60 Millionen in die weitere Neutralisierung der operativen Emissionen zu stecken. Das war der erste Use Case, dass wir uns das für die Gruppe und einen Pilotstandort angeschaut haben. Wir haben schon erkannt, dass das gut geeignet ist als Lead-Indikator in einem Dashboard für das Management. Damit können wir feststellen wo wir sind und welche Effizienz eine bestimmte Maßnahme hat. Das war sehr hilfreich.