„Transformation ist ein Prozess, den wir transparent machen möchten“

Ein Gespräch mit Theresa Pleye und Florian Gores von der GLS Bank

Die GLS Bank arbeitet schon seit 2018 gemeinsam mit right° daran die Klimawirkung des Bankgeschäfts messbar zu machen. In einer strategischen Partnerschaft ermittelt und übersetzt die GLS Bank mittels des XDC-Modells von right° die Klimawirkung ihres Geschäftsbetriebs und Kreditportfolios in Grad-Celcius und setzt sie in Bezug zum 1,5°C-Ziel.

 Wie diese Zusammenarbeit ablief und welche Erkenntnisse daraus gewonnen wurden, erzählen Theresa Pleye, Senior Sustainability Manager und Florian Gores, Spezialist Datencontrolling von der GLS Bank im Interview.

 

Theresa, Florian, danke, dass ihr euch Zeit für dieses Gespräch nehmt. Wie hilft euch unser XDC-Modell dabei, die Klimawirkung im Geschäftsbetrieb zu steuern?

Theresa: Wir können die Klimawirkung unterschiedlicher Unternehmen und Finanzanlagen viel einfacher und intuitiver miteinander vergleichbar machen. Klimawirkung ist ein wichtiger Indikator bei der Steuerung unseres Kreditportfolios. Wir wollen nachhaltig investieren und brauchen diese Transparenz. Aber die XDC hilft uns auch dabei, den Geschäftsbetrieb unserer Bank besser zu machen.

Wie denn das?

Florian: Die XDC hilft uns ein Zeichen zu setzen. Auch wenn die Emissionen unseres Eigenbetriebs vergleichsweise gering sind, wollen wir zeigen, dass wir selbst 1,5-Grad-kompatibel agieren wollen und auch können. Das stärkt nicht nur unsere Glaubwürdigkeit als nachhaltige Bank, sondern zeigt auch, dass Transformation in allen Geschäftsbereichen möglich ist.

„Wir wollen zeigen, dass auch unser eigener Geschäftsbetrieb 1,5-Grad-kompatibel ist – das stärkt unsere Glaubwürdigkeit.“

Theresa, welchen Mehrwert versprecht ihr euch von der Ermittlung der XDC für euer Kreditportfolio?

Theresa: Der größte Hebel für Nachhaltigkeit liegt in unseren Finanzierungs- und Anlageentscheidungen und damit in unserem Kerngeschäft. Nachhaltige Branchen wie erneuerbare Energien oder soziale Infrastruktur fördern wir bereits durch unsere Anlage- und Finanzierungsgrundsätze. Was diese Grundsätze jedoch nicht umfassen können, ist die konkrete Bewertung, ob unsere Finanzierungen mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibel sind.

Die XDC liefert eine wissenschaftlich fundierte Kennzahl, die unsere Entscheidungen in den globalen Klimakontext einordnet. Das ermöglicht uns nicht nur Transparenz gegenüber unseren Stakeholdern, sondern liefert auch eine Informationsgrundlage für Maßnahmen zur Emissionsreduktion und zur Abschätzung von transitorischen Klimarisiken. Mit der XDC schaffen wir eine messbare Grundlage, um unsere Verantwortung für eine nachhaltige Transformation noch besser wahrzunehmen.  Wir können etwa durch gezielte Finanzierungszusagen für emissionsarme Projekte und Unternehmen die Klimawirkung unseres Portfolios, unserer Aktiva, verbessern. – Und natürlich hilft es uns auch in der Kommunikation mit den Kund*innen.

„Die XDC gibt uns eine wissenschaftlich fundierte Grundlage, um unsere Finanzierungen an den Klimazielen auszurichten.“

Das klingt auch nach einer Möglichkeit, Loyalität und Vertrauen bei euren Kundinnen und Kunden zu fördern.

Theresa: Genau, Transparenz schafft Vertrauen – ein zentraler Aspekt für uns.

„Transparenz schafft Vertrauen.“

Wie habt ihr es geschafft, trotz der Herausforderungen bei der Datenverfügbarkeit Fortschritte bei der Messung der Klimawirkung zu erzielen?

Florian: Die größte Herausforderung bei Emissionsdaten ist ihre aktuell unzureichende Verfügbarkeit und Qualität. Oft arbeiten wir mit Branchendurchschnittswerten, die ungenauer sind als die tatsächlich verursachten Emissionen. Hinzu kommt die mangelnde intuitive Vergleichbarkeit zwischen den Assetklassen. Ist eine bestimmte Menge CO2-Äquivalent nun viel oder wenig im Hinblick auf die Pariser Klimaziele? Diese unvollständige Datenlage hätte uns leicht ausbremsen können – doch wir haben entschieden, das als Herausforderung und Chance zu sehen, und mit right° den richtigen Partner gefunden.

Indem wir Branchendurchschnittswerte detailliert analysieren und ihre Schwächen transparent machen, können wir gezielt Maßnahmen entwickeln, um präzisere Daten zu erheben. Es ist ein Ansatz, der nicht Perfektion im ersten Schritt verlangt, sondern kontinuierliche Fortschritte ermöglicht. Langfristig wollen wir die besten verfügbaren Daten nutzen, um eine solide Grundlage für Verbesserungen zu schaffen.

„Wir sehen die unvollständige Datenlage als Chance, um kontinuierlich besser zu werden.“

Diese Haltung hat uns nicht nur erlaubt, unsere Klimabilanz frühzeitig einzuführen und zu optimieren, sondern auch langfristige Standards zu setzen, die uns und anderen helfen, verlässliche Grundlagen für Entscheidungen zu schaffen.

Wann glaubt ihr, werden die Daten ausreichend valide sein, um als Entscheidungsgrundlage zu dienen?

Florian: Sobald wir weg von Branchendurchschnittswerten hin zu spezifischen Unternehmensdaten kommen, die zuverlässig geprüft sind. Die CSRD wird hierbei eine wichtige Rolle spielen.

Was erhofft ihr euch da von der CSRD, auch vom Zeitplan her?

Theresa: Die CSRD wird uns helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen, indem sie verlässliche und geprüfte Nachhaltigkeitsdaten von Unternehmen einfordert. Aktuell wird oft mit Schnellrechnern gearbeitet, die eine grobe CO₂-Bilanz liefern. Das reicht für ernsthafte Entscheidungen nicht aus. Wir brauchen geprüfte Nachhaltigkeitsberichte, wie sie die CSRD vorschreibt.

Seit zwei Jahren erheben wir bereits CO₂-Bilanzen unserer Kundinnen und Kunden und unterscheiden dabei, ob sie auf Schätzungen oder geprüften Daten basieren. Das ist ein erster Schritt, aber wir sehen in der CSRD die Chance, auf standardisierte Berichte zurückzugreifen, anstatt aufwendige Fragebögen zu nutzen.

Allerdings betrifft die CSRD viele unserer Kunden – meist KMU – erst in ein paar Jahren. Bis dahin müssen wir weiterhin mit einem Mix aus Branchendurchschnittswerten und tatsächlichen Emissionen arbeiten, denn viele unserer Kund*innen haben auch losgelöst von regulatorischen Vorgaben ein umfangreiches Nachhaltigkeitsmanagement inkl. CO2-Bilanzierung. Diese Entwicklung hin zu standardisierten Nachhaltigkeitsberichten wird uns nicht nur intern entlasten, sondern auch neue Finanzierungsmodelle wie Sustainability-Linked Loans stärken.

Aus euren Erfahrungen: Welche drei Tipps gebt ihr anderen Banken, die mit der XDC arbeiten wollen?

Theresa: Erstens: Ohne eine solide Datengrundlage können keine belastbaren Ergebnisse erzielt werden. Es ist essenziell, ESG-Daten systematisch zu prüfen, fehlende Informationen zu ergänzen, sie kontinuierlich zu verbessern und zu strukturieren. Das ermöglicht es, die XDC verlässlich zu berechnen und sinnvolle Maßnahmen abzuleiten.

Zweitens: Eine hohe Baseline-XDC zeigt den aktuellen Status quo und legt den Grundstein für gezielte Verbesserungen. Sie sollte als Startpunkt einer Transformation verstanden werden. Die Herausforderung besteht darin, aus der Realität klare und umsetzbare Maßnahmen abzuleiten, statt sich von hohen Werten abschrecken zu lassen.

Und schließlich: Ein starkes Narrativ hilft, die XDC in die eigene Strategie zu integrieren und effektiv zu kommunizieren. Intern schafft es Akzeptanz und ein gemeinsames Verständnis, extern signalisiert es Transparenz und Engagement. Das Narrativ sollte Transformation und Fortschritte in den Fokus rücken, nicht nur die Baseline-Ergebnisse.

„Eine hohe Baseline-XDC ist kein Misserfolg, sondern der Startpunkt für eine erfolgreiche Transformation.“

Was wäre eure wichtigste Botschaft nach außen und innen?

Florian: Nach innen wie nach außen ist es uns besonders wichtig zu vermitteln, dass wir uns selbst immer noch auf dem Weg befinden. Wir wollen klar kommunizieren: Hier stehen wir, und das sind unsere nächsten Schritte. Transformation ist ein transparenter und offener Prozess, der andere inspirieren kann, gerade im nachhaltigen Banking, wo es nicht viele Best Practices als Orientierungspunkte gibt. Intern schaffen wir so auch ein Bewusstsein dafür, dass Nachhaltigkeit ein fortlaufender Prozess ist, der Engagement und ständige Anpassung erfordert.

Ihr habt eng mit uns an der Weiterentwicklung der XDC gearbeitet. Wie würdet ihr die Zusammenarbeit beschreiben?

Theresa: In drei Worten: explorativ, innovativ, gemeinschaftlich. Für uns ging es darum, gemeinsam neue Wege zu beschreiten, völlig neue Ansätze zu entwickeln und dabei immer auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit war geprägt von einer offenen Kommunikation und einem gegenseitigen Vertrauen, das es ermöglicht hat, kreative Lösungen zu finden und innovative Ansätze wie die XDC-Methodik für Banken weiterzuentwickeln.

Gab es auch Herausforderungen?

Theresa: Auf jeden Fall. Unsere Strukturen und Entscheidungsprozesse sind oft langsamer und stärker reguliert als in der Start-Up-Welt, was zu Reibungspunkten führen kann. Wichtig war, dass wir diese Unterschiede frühzeitig angesprochen und ein gemeinsames Verständnis für die jeweilige Perspektive entwickelt haben.

Florian: in Banken sind Entscheidungswege oft sehr komplex, gerade bei strategischen Themen wie Nachhaltigkeit und Transformation. Es gibt viele Abteilungen, die eingebunden werden müssen. Deshalb war es essenziell, von Anfang an einen klaren Fahrplan zu entwickeln und immer wieder sicherzustellen, dass wir gemeinsam in die gleiche Richtung arbeiten.

„Unterschiedliche Arbeitsweisen können zu Reibungspunkten führen – das erfordert Offenheit und Verständnis.“

Was würdet ihr anderen Banken raten, die eine ähnliche Zusammenarbeit erwägen?

Florian: Traut euch! Innovation entsteht durch Mut, auch wenn es bedeutet, eingefahrene Strukturen zu hinterfragen und Risiken einzugehen.

Theresa: Und bindet frühzeitig alle relevanten internen Stakeholder ein. Es ist wichtig, dass alle betroffenen Abteilungen an einem Tisch sitzen, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und Konflikte zu vermeiden. Nur so kann man eine klare Roadmap entwickeln, die alle Beteiligten mittragen.

Zum Abschluss: Was möchtet ihr aus dieser Zusammenarbeit nach außen transportieren?

Theresa: Wir wollen zeigen, dass wir gemeinsam mit right° nicht nur an der Weiterentwicklung der XDC gearbeitet, sondern auch neue Standards gesetzt haben. Transformation ist ein Prozess, der Offenheit und Zusammenarbeit erfordert, und genau das braucht es, um die Herausforderungen der Nachhaltigkeit erfolgreich anzugehen. Wir hoffen, dass diese Zusammenarbeit andere dazu inspiriert, ähnliche Wege zu gehen.

Vielen Dank für das spannende Gespräch und eure Einblicke!

Die Fragen stellte Hannah Helmke.

 

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