Interview: Ein Gespräch mit Lennart Gorholt (Phoenix Contact)

Interview: Ein Gespräch mit Lennart Gorholt

Geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheiten stellen Unternehmen weltweit vor große Herausforderungen. Doch trotz dieser Unwägbarkeiten bleibt für Phoenix Contact, Hersteller von Komponenten sowie Systemen für Elektrotechnik, Elektronik und Automation, eine langfristige Klimastrategie unverrückbares Ziel. Das Unternehmen verfolgt konsequent seine 1,5°C-Konformität über alle globalen Standorte hinweg.

Im Gespräch mit Hannah Helmke gibt Lennart Gorholt, Bereichsleiter bei der Phoenix Contact Gruppe, Einblicke in die strategische Ausrichtung seines Unternehmens zur Erreichung der 1,5‑Grad-Konformität – von den methodischen Grundlagen bis hin zu den operativen Herausforderungen an den weltweiten Standorten. Er erläutert, wie Phoenix Contact kontinuierlich an seinem Klimaziel arbeitet und dabei auf innovative Instrumente wie XDC setzt, um den Fortschritt messbar zu machen.

Hannah Helmke: Lennart, in Zeiten politischer Unruhe und wirtschaftlicher Unsicherheiten – wie habt ihr es geschafft, die Arbeit an der 1,5‑Grad-Konformität der Phoenix Contact Gruppe und ihrer weltweiten Standorte mit voranzutreiben?

Wir halten an der 1,5°C-Konformität fest, weil wir eine Zehnjahresstrategie verfolgen, die sich nicht von kurzfristigen Turbulenzen beeinflussen lässt.

Lennart Gorholt: Wir glauben fest daran, dass nachhaltige Transformation eine Chance ist, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Unsere Strategie folgt der Vision der „All Electric Society“, dass Elektrifizierung und der damit verbundene Ausbau erneuerbarer Energien die Basis für eine zukunftsfähige Gesellschaft sind. Deshalb setzen wir unbeirrt von externen politischen Krisen oder wirtschaftlichen Schwankungen, die manchmal den Fortschritt erschweren, an allen Standorten auf Dekarbonisierung und Elektrifizierung.

Unsere strategische Ausrichtung ist nicht erst eine Reaktion auf aktuelle Entwicklungen, sondern bereits seit 2020/2021 bewusst auf langfristige Ziele ausgelegt. Wir halten an der 1,5°C-Konformität fest, weil wir eine Zehnjahresstrategie verfolgen, die sich nicht von kurzfristigen Turbulenzen beeinflussen lässt. Natürlich setzen wir 1.5°C auch selbst um – wie soll unsere Strategie sonst nach innen oder nach außen glaubwürdig sein?

Hannah Helmke: Wie habt ihr diesen Prozess gestaltet und welche Ergebnisse habt ihr daraus abgeleitet?

Lennart Gorholt: Wir beobachten weltweit klare Trends, etwa den Ausbau erneuerbarer Energien und die zunehmende Förderung von Speichertechnologien und Ladeinfrastruktur im Mobilitätssektor. Unsere Analysen zeigen, dass der Umstieg auf Elektrifizierung – sei es in der Produktion, im Gebäudemanagement oder im Mobilitätsbereich – wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Welt hat das erkannt, Biden hatte große Förderprogramme aufgesetzt und China fördert den Ausbau klimafreundlicher Geschäftsmodelle massiv. Es lohnt sich darum, das Geschäftsmodell in diese Richtung auszurichten. Die 1,5°C-Konformität unseres eigenen Betriebs kann als Pilotprojekt dienen, um zu zeigen, dass wir dieser Aufgabe gewachsen sind.

Mit einem präzisen Blick auf unsere Emissionen und deren Entwicklung können wir gezielt Maßnahmen priorisieren.

Ein zentrales Element unserer Umsetzung ist dabei, die Kosten- und Ertragsprofile über die Zeit zu betrachten. So nutzen wir Instrumente, die uns dabei helfen, den aktuellen Stand unserer Emissionen präzise zu messen und gleichzeitig den notwendigen Reduktionspfad zu definieren. Mit diesem klaren Blick auf unsere Emissionen und deren Entwicklung können wir gezielt Maßnahmen priorisieren, die nicht nur ökologisch, sondern auch operativ sinnvoll sind.

Hannah Helmke: Ein immer wieder diskutiertes Thema ist die Bürokratie in der Klimaregulatorik. Wo lassen sich Bürokratiehürden abbauen, und wo sind vielleicht sogar strengere Regelungen sinnvoll?

Lennart Gorholt: Meine persönliche klare Haltung zur Bürokratie ist: Wir müssen sie reduzieren, um den Fokus wieder aufs Handeln zu lenken. Unternehmen sollten die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen den größten positiven Effekt haben – ohne in endlosen administrativen Pflichten zu ersticken.

Unternehmen sollten die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen den größten positiven Effekt haben.

Gleichzeitig begrüßen wir regulatorische Rahmenwerke, die einen professionellen Ansatz vorgeben. Instrumente wie die CSRD und die European Sustainability Reporting Standards bieten einen Methodenkoffer, der uns hilft, den gesamten Nachhaltigkeitsprozess systematisch anzugehen – von der Erhebung der relevanten Daten über die Wesentlichkeitsanalyse bis hin zur gezielten Fokussierung auf die wichtigsten Stellschrauben. Dieser strukturierte Ansatz ermöglicht es uns, auch länderübergreifend vergleichbare Daten zu erheben und somit zu erkennen, wo wir wirklich ansetzen müssen.

Hannah Helmke: Ihr habt euch für XDC als Messinstrument entschieden. Kannst du mir erläutern, warum XDC für euch der richtige Ansatz ist und welche Vorteile dieses Instrument bietet?

Lennart Gorholt: Das eigentliche Problem bei der herkömmlichen CO₂-Berechnung ist, dass wir oft eine Zahl erhalten, die – so groß sie auch sein mag – wenig darüber aussagt, wie weit wir tatsächlich von unserem Ziel entfernt sind. Mit XDC schaffen wir es, diese CO₂-Emissionen in eine greifbare Größenordnung zu übersetzen, ähnlich einem Thermometer.

Das eigentliche Problem bei der herkömmlichen CO₂-Berechnung ist, dass wir oft eine Zahl erhalten, die – so groß sie auch sein mag – wenig darüber aussagt, wie weit wir tatsächlich von unserem Ziel entfernt sind.

So können wir nicht nur feststellen, ob unsere Emissionen zu hoch oder zu niedrig sind, sondern auch den konkreten Wert in Grad Celsius ableiten, der unseren Fortschritt in Richtung 1,5 Grad widerspiegelt. Dieses Instrument erlaubt uns, auf Konzernebene und für einzelne Standorte sehr einfach zu messen, wo wir stehen, und gibt uns darüber hinaus die Möglichkeit, zeitlich genau zu planen: Welche Maßnahmen müssen wann ergriffen werden? So können wir zum Beispiel feststellen, ob wir bereits nahe an unserem Ziel sind oder ob dringende Anpassungen notwendig sind. Dieses präzise Messen ist für uns unerlässlich, um nicht nur den Status quo zu verstehen, sondern auch konkrete Transitionen zielgerichtet zu steuern.

Hannah Helmke: Du betonst häufig die Bedeutung der Standortebene. Warum habt ihr euch dafür entschieden, den Dekarbonisierungsprozess so stark standortbezogen zu steuern?

Lennart Gorholt: Die Analyse unserer Emissionen hat schnell gezeigt, dass nicht alle Standorte gleich agieren können. Manche Anlagen haben von Natur aus größere Potenziale, während andere aufgrund ihrer spezifischen Infrastruktur oder regionaler Gegebenheiten anders zu bewerten sind. Indem wir auf Standortebene steuern, können wir gezielt dort ansetzen, wo der größte Hebel liegt. Jeder Standort wird als in sich geschlossenes Energiesystem betrachtet – etwa in Bezug auf Wärme, Kälte und Stromversorgung.

Die Analyse unserer Emissionen hat schnell gezeigt, dass nicht alle Standorte gleich agieren können.

Gleichzeitig profitieren wir vom Vergleich zwischen den Standorten: Erfolgreiche Maßnahmen an einem Standort können als Best Practice an andere übertragen werden. Das fördert nicht nur den internen Wissensaustausch, sondern erlaubt uns auch, gezielt Unterschiede und Herausforderungen zu adressieren. So bleibt unser Ansatz flexibel und realitätsnah, denn die regionalen Rahmenbedingungen – sei es das lokale Stromnetz, klimatische Besonderheiten oder spezifische Energiekosten – spielen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung.

Hannah Helmke: Wie reagiert ihr auf die politischen Rahmenbedingungen, die ja einen wichtigen Einfluss auf den Fortschritt der Transformation haben? Habt ihr aktiv den Dialog mit politischen Entscheidungsträgern gesucht?

Lennart Gorholt: Absolut – der Dialog mit der Politik ist für uns essenziell. Wir nehmen regelmäßig an Gremien teil, in denen wir Feedback geben und diskutieren, was aus unserer Sicht realistisch umsetzbar ist. Dabei geht es nicht nur um die positiven Aspekte, sondern auch um die praktischen Herausforderungen. So teilen wir unsere Erfahrungen, welche Daten erfasst werden können und wo es methodische Grenzen gibt.

Nur wenn Politik und Wirtschaft im ständigen Dialog stehen, können sinnvolle Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Ein offener Austausch sorgt dafür, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen nicht zu einer reinen Pflichtübung verkommen, sondern tatsächlich dazu beitragen, dass Unternehmen wie das unsere effizient und zielgerichtet vorgehen können. Nur wenn beide Seiten – Politik und Wirtschaft – im ständigen Dialog stehen, können sinnvolle Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Übergang in eine nachhaltigere Zukunft unterstützen.

Hannah Helmke: Zum Abschluss: Was gibt dir persönlich Zuversicht, diesen anspruchsvollen Transformationsprozess erfolgreich umzusetzen?

Lennart Gorholt: Die Zuversicht speist sich vor allem aus der Leidenschaft und dem Engagement der Menschen, die täglich an diesen Themen arbeiten. Es ist inspirierend zu sehen, wie viele kluge Ideen und Lösungsansätze in den Teams entwickelt werden. Trotz der unvermeidlichen Herausforderungen – seien es technische Hürden oder externe politische Entwicklungen – bleibt die Überzeugung, dass wir gemeinsam einen nachhaltigen Wandel erreichen können.

Hannah Helmke: Herzlichen Dank, Lennart, für diese Einblicke in eure Arbeit und strategischen Überlegungen.

 

Auch im Jahr 2025 bieten wir einen monatlichen offenen Austausch zu XDC über die Online-Terminserie °Clarity an. Mehr Informationen hier – wir freuen uns auf Ihre Teilnahme. 

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